Heute bekamst Du Deine Einbürgerung.
Dein ganzes Leben hast Du in Syrien gelebt, eine Familie aufgebaut, mit den Enkelkindern gespielt. Ihr hattet ein wunderschönes Haus.
Irgendwann konntest auch Du und Deine Frau nicht mehr bleiben. Der Krieg war überall, die Zerstörung. Aber Eure Kinder wollten Euch nicht alleine gehen lassen, dass alle flüchten, dafür reichte
allerdings das Geld nicht. So begleitete euch einer der Söhne.
Ihr habt den beschwerlichen Weg auf Euch genommen. Das Mittelmeer, die gefährliche Balkanroute, bis Berlin, bis zu uns.
Seit fast sieben Jahren kennen wir uns. Seitdem bist Du Moabit hilft.
Damals kamt ihr wegen Kleidung, denn es war alles verloren gegangen. Aber auch Hilfe bei den Papieren, den Anträgen, ach, bei so vielem war Unterstützung erforderlich.
Je öfter Du kamst, desto länger bist Du geblieben. Denn dein gesamtes soziales Umfeld war von einem zum anderen Tag einfach weg. Kein Teetrinken mit dem Nachbarn, kein Plausch mit dem Cousin,
keine Enkelkinder, denen Du das Fahrradfahren beibringen kannst. Der Krieg hat die gesamte Familie auseinandergerissen. Du hast Dich alleine gefühlt, verloren.
Aber bei uns ergab sich immer ein Plausch mit anderen Menschen aus deiner Heimat, der Moment, einfach zu sitzen, Kindern beim Spielen zuzusehen.
Es war ein ganz kleines Bisschen wie damals. Du hast Dich nicht mehr so fremd gefühlt, es war ein Ankommen.
Und dann bist Du geblieben. Hattest wieder Menschen um Dich, was Du so liebst und auch eine Aufgabe: das Unterstützen bei der Spendenausgabe Bereich Männerkleidung.
Trotzdem war es nicht leicht, sich in das neue Leben einzufinden. Auch wenn Du es eigentlich niemanden merken lassen wolltest, wenn man in Deine müden Augen geschaut hat, sah man bis in dein
trauriges Herz.
Als eine Studentin für Ihr Projekt ein Bild benötigte, fragte, ob Du nicht auch bitte malen könntest, was Dir in den Sinn kommt, wenn Du an Syrien denkst, hast Du ja gesagt. Alle anderen nahmen
den roten Stift und malten Zerstörung, Bombardierung, Krieg.
Du warst der Einzige, der mit mehreren Farben malte. Das kleine Haus, den Bach dahinter, die grünen Bäume.
Wir können nicht ermessen, wie sehr der Verlust schmerzen muss, wenn man mit 62 Jahren entwurzelt wird. In ein Land kommt, dessen Sprache man nicht mehr lernen kann, weil man immer vergesslicher
wird. Durch Straßen läuft, die einem fremd sind. Wenn alles doch so anderes ist, als es mal war.
Es waren keine einfachen Jahre bis heute. Aber Du hast nie aufgegeben.
Wir haben zusammen Geburtstage gefeiert, gelacht, gekocht, gegessen. Sogar getanzt haben wir zusammen, inmitten der gespendeten Kleidung.
Jetzt ist Dein Glück perfekt. Noch nie haben wir Deine Augen so glücklich gesehen.
Auch wenn Du Deine Heimat verloren hast, hast Du nun ein Zuhause.